Plastic fantastic: Der Film über unseren Umgang mit Plastikmüll

Filmplakat Plastic fantastic (Foto: Trimafilm)
Filmplakat (Foto: Trimafilm)

Rezension und Blog zum Film.

„Plastik ist heute allgegenwärtig – in Flüssen und Meeren, in unserer Luft, dem Boden und sogar unseren Körpern. Es gibt 500 mal mehr Plastikpartikel in den Ozeanen als Sterne in unserer Galaxie.“ Mit diesem Statement beginnt der Dokumentarfilm Plastic fantastic, der am 25. Januar 2024 in den deutschen Kinos angelaufen ist. In 101 fesselnden Minuten beleuchtet er aus verschiedenen Blickwinkeln unseren stetig wachsenden Plastikverbrauch.

Bis 2050 wird er sich in den führenden Industrie- und Schwellenländern (G 20) fast verdoppeln, schreibt die FAZ im Februar 2023. Hierbei bezieht sie sich auf eine Studie von Back to Blue, einer Forschungsgruppe der Denkfabrik Economist Impact sowie der Nippon Foundation. Verhindern ließe sich der Anstieg nur, indem der Verbrauch umfassend und rechtlich bindend eingeschränkt würde. Förderprogramme zum Recycling oder zur Verringerung Einwegplastik kratzten nur an der Oberfläche. 

Vor dem Hintergrund dieser „düsteren Prognose“, so die Dachzeile des FAZ-Artikels, zeigt Plastic fantastic Menschen und ihren weltweiten Einsatz für weniger Plastik. Die Protagonisten sind engagierte Umweltschützer aus Afrika und den USA, warnende Wissenschaftler und Kunststoff-Lobbyisten, die sich für das Recycling starkmachen. 

Eine Müllhalde: Der Plastikverbrauch nimmt immer weiter zu (Foto: Trimafilm)
Der Plastikverbrauch nimmt immer weiter zu (Foto: Trimafilm)

Um mit den letzteren zu beginnen: Joshua Baca, bis 2023 Lobbyist des American Chemistry Council, und Ingemar Bühler, Lobbyist bei Plastics Europe, heben hervor, dass die Plastikindustrie die Situation erkannt habe und entschieden gegen Plastikmüll vorgehe. Dabei setzen sie auf neue effiziente Recyclingtechnologien.

Fische mögen rote Plastikdeckel besonders

Ozeanografin Sarah-Jeanne Royer zeigt, welche Probleme Mikroplastik an den Küsten Hawaiis verursacht: Die Kunststoffteile, die sie bei ihren Strandgängen am häufigsten findet, sind Zigarettenfilter, gefolgt von Flaschenverschlüssen. 

Ozeanografin Sarah-Jeanne Royer (Foto: Trimafilm)
Ozeanografin Sarah-Jeanne Royer (Foto: Trimafilm)

Ihr zufolge lieben Fische ganz besonders die roten Plastikdeckel von Colaflaschen. Davon finden die Meeresbewohner unzählige, denn selbst das erste Stück Plastik, das jemals ins Meer gelangte, schwimmt heute noch – zu Mikropartikeln verkleinert – im Meer.

Jede Auster enthält 1.500 Partikel Mikroplastik

Denn Plastik verrottet nicht. Damit beschäftigt sich Prof. Dr. Michael Braungart. Der Professor für Öko-Design an der Leuphana-Universität Lüneburg und Träger des Deutschen Nachhaltigkeitspreises 2022 ist Vordenker und Begründer des „Cradle-to-Cradle“-Designkonzepts. Es hat eine 100%-ige Kreislaufwirtschaft zum Ziel.

„Cradle-to-Cradle“-Begründer Prof. Dr. Michael Braungart (Foto: Trimafilm)
„Cradle-to-Cradle“-Begründer Prof. Dr. Michael Braungart (Foto: Trimafilm)

Cradle-to-Cradle will nicht weniger Abfall schaffen, sondern ein Leben ganz ohne Abfall ermöglichen. Bei dem Ansatz „von der Wiege bis zur Wiege“, so die wörtliche Übersetzung, werden Produkte, die verschleißen, so designt, dass sie sich bioverträglich abbauen. Alle anderen Produkte, beispielsweise Waschmaschinen und Fernseher, werden so gestaltet, dass sie einfach und umfassend recycelbar sind. Dann können ihre Materialien in gleicher Qualität endlos wieder eingesetzt werden.

Reifenabrieb ist ein Riesenproblem

Da dies nicht geschieht und wir immer mehr Plastikabfälle erzeugen, kommt es zu umfassenden Schäden. Braungart veranschaulicht dies im Film unter anderem an einer Delikatesse. Ihm zufolge enthält jede einzelne Auster 1.500 Partikel Mikroplastik. Die Hälfte davon ist Reifenabrieb, der in Deutschland Platz eins unter den Emissionen von Mikroplastik belegt: pro Bundesbürger gelangen jährlich rund 1,2 Kilogramm davon in die Umwelt. 

Vieles könnte man unternehmen, so Braungart. Er bemängelt beispielsweise, dass manche BMWs etwa 180 verschiedene Kunststoffsorten enthalten, die es nicht lohne zu recyceln. Und dass jedes Jahr 40 Millionen Badelatschen verloren gehen, von denen viele für lange Zeit die Plastikmüllströme auf den Weltmeeren anwachsen lassen.

Mikroplastik belastet uns alle

Über unsere synthetische Kleidung, die wir am Körper tragen, und nochmal stärker FFP2-Masken während der Covid-Pandemie atmen wir ständig Plastik Mikropartikel ein. „Die Teilchen können kleiner als Staub sein, sie sind überall, in der Luft, im Wasser, in der Blutbahn, im Gehirn“, sagt die Ozeanografin Royer. Der „Cradle-to-Cradle“-Begründer verweist zudem darauf, dass durch das Mikroplastik im Körper die Fruchtbarkeit der Menschen zurückgeht.

Trotz höchster Recyclingquote endet das meiste Plastik im Giftmüllschacht

Die deutsche Recyclingquote von knapp 25% ist weltweit vorbildlich. Was auf den ersten Blick wie eine gute Nachricht aussieht, ist bei näherem Hinschauen beunruhigend. Denn diese Zahl bedeutet, dass 75% des Plastiks in Deutschland bei hohen Temperaturen verbrannt werden müssen. 

Blick in eine Müllverbrennungsanlage (Foto: Trimafilm)
Blick in eine Müllverbrennungsanlage (Foto: Trimafilm)

Das bleibt nicht ohne Folgen: Die Filter der Müllverbrennungsanlagen enthalten dann leider so viele Giftstoffe, dass eine oberirdische Lagerung nicht zulässig ist. Deshalb werden die Filter für die Ewigkeit unter der Erde deponiert. Zum Beispiel in der „Alten Grube“ Herfa-Neurode im hessischen Heringen, nahe der thüringischen Grenze, Sie ist laut Deutschlandfunk Kultur die größte unterirdische Giftmülldeponie der Welt. 

Die „Alte Grube“ Herfa-Neurode, die größte unterirdische Giftmülldeponie der Welt (Foto: Trimafilm)
Die „Alte Grube“ Herfa-Neurode, die größte unterirdische Giftmülldeponie der Welt (Foto: Trimafilm)

Selbst wenn Müllverbrennungsanlagen dorthin täglich vier bis fünf Filter schicken: Es ist laut den Betreibern für lange Zeit noch genug Platz neben den 2,7 Millionen Tonnen (2019) der anderen giftigen Industrieabfälle wie Arsen, Cyanid und Quecksilber, die aus ganz Europa und den USA kommen. 

Weltweite Probleme

Welche Probleme die Herstellung und Entsorgung von Plastik weltweit bereiten, illustriert Plastic fantastic anhand von zwei Porträts. In Keniadokumentiert der Umweltaktivist und -fotograf James Wakibia die Verschmutzung in seinem Land. 

Die pensionierte Lehrerin Sharon Lavigne (Foto: Trimafilm).
Sharon Lavigne (Foto: Trimafilm)

Die pensionierte Lehrerin Sharon Lavigne kämpfte erfolgreich für die Rücknahme einer – dem richterlichen Urteil zufolge „willkürlichen“ – Umweltgenehmigung für eine Kunststoff-Produktionsstätte der Formosa Group nahe der Stadt Baton Rouge im US-amerikanischen Stadt Louisiana. Die Region um die Stadt gehört zu den am dichtesten mit petrochemischen Anlagen besiedelten in den USA.

Eine Alternative zu Plastik

Hoffnung macht auch die Unternehmerin Dr.-Ing. Anne Lamp, Mitgründerin und Vorstandsvorsitzende der traceless materials GmbH. Das Bioökonomie-Start-up, dessen Name übersetzt „spurlos“ bedeutet, hat ein plastikfreies Material entwickelt, das dazu beitragen könnte, die globale Plastikverschmutzung zu reduzieren. 

Laut Unternehmensangabe sieht es zwar wie Plastik aus und fühlt sich auch so an, es ist aber zertifiziert plastik- und mikroplastikfrei und vollständig biokreislauffähig. Hergestellt wird es aus pflanzlichen Reststoffen der Agrarindustrie. 2023 hat das Unternehmen von Investoren 36,6 Millionen Euro für den Bau der ersten Industrieanlage für seine biokreislauffähige Plastikalternative bekommen. 

Sind nicht aus Plastik, sehen aber so aus: Pommes frites-Gabeln von traceless (Foto: traceless).
Sind nicht aus Plastik, sehen aber so aus: Pommes frites-Gabeln von traceless (Foto: traceless).

Anerkennung kommt auch von Fachmedien: Im Februar 2024 haben die Branchenmagazine CHEManager und CHEManager International traceless beim „CHEManager Innovation Pitch“ zum besten Unternehmen des Jahres in der Kategorie „Value to Industry“ gewählt. 

Der Film gibt Hoffnung

Plastic fantastic beeindruckt durch die Auswahl und Dichte der Geschichten, in deren Mittelpunkt stets Menschen und ihr Engagement stehen. Ihr Einsatz macht dem Zuschauer – trotz der erdrückenden und bedrohlichen Bilder und Informationen – Mut. Er führt uns vor Augen, dass Handeln die einzige Möglichkeit ist, Hoffnung zu schöpfen. Wie viele Dokumentarfilme wird auch Plastic fantastic leider nur in ausgewählten Kinos gezeigt. Es ist zu wünschen, dass er bald auch im Fernsehen zu sehen ist.

Der Film und wo man ihn sehen kann:

Plastic fantastic ist eine Produktion von Isabelle Bertolone, David Armati Lechner und Trini Götze, Trimafilm, in Koproduktion mit dem ZDF Das kleine Fernsehspiel. Buch und Regie hatte Isa Willinger, Redaktion Varinka Link und Claudia Tronnier. Den Film verleiht MINDJAZZ PICTURES, auf deren Website auch die aktuellen Aufführungsdaten und -orte zu finden sind:  https://mindjazz-pictures.de/filme/plastic-fantastic/

von: F. Stephan Auch

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